Soll ich auf Deutsch schreiben, oder auf Englisch, ich bin hin und her gerissen, aber letztendlich ist Deutsch meine Muttersprache. Ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr hier nachgesehen, ich war zu beschäftigt mit mir und meinem Leben.
Manchmal, wenn ich mit unserem Hund spazieren gehe und abends noch einmal vor die Tür gehe, rede ich mit Papa und dann überfällt mich eine Traurigkeit, aber auch eine Wut, dass er mich jetzt endgültig alleine gelassen hat. Wieder mal hat er mich im Stich gelassen!!! Ich weiß, dass das verrückt ist, aber wenn ich mit ihm rede, frage ich ihn oft, ob er überhaupt Interesse an mein Leben hat, hier in den USA.
Ich weiß, was er mir bedeutet hat, aber was war ich für ihn? Ein Teil von mir, weiß, dass er mich geliebt hat, aber.....Den größten Teil meines Lebens habe ich nach Anerkennung von ihm gehungert, aber erst als ich sie nicht mehr brauchte - konnte ich eine Beziehung zu ihn aufbauen.
Das Lied "Für meine Kinder" habe ich nie gemocht, als er es sang, da ich es als große Lüge gesehen habe, heute, als ich es erneut las, habe ich es auf eine neue Art verstanden. Dieses Lied verdeutlicht sehr gut, wie er die Welt gesehen hat, als Kriegsschauplatz, wo nur der Wiederstandsfähige überlebt Ja, Papa, da hast Du eine guten Job mit Deinen Kindern gemacht,

Hier auf Deiner Seite, Papa, sehe ich immer neue Facetten von Dir, denn jeder hat Dich ein wenig oder auch sehr anders erfahren. Ich hoffe, noch viele Erinnerungen an Dich von anderen hier zu lesen.
Wir hatten tolle Gespräche, im Grunde sind wir uns sehr ähnlich und ich muß aufpassen, dass ich nicht zu sehr in Deine Fußstapfen steige, oder wenn ich schon drin stehe, diese wieder abstreife, denn so sehr ich Dich geliebt und auch in vielem bewundert habe, vieles mochte ich an Dir nicht. Deine Harschheit, eine gewisse harsche Ehrlichkeit und Ungeduld mit den Fehlern anderer habe ich von Dir übernommen, daran muß ich noch viel arbeiten. War es Dir wirklich egal, was andere über Dich dachten oder wußtest Du einfach nicht, wie Du besser mit Menschen, vor allem die Dir Nahe standen, umzugehen? Deine Ansicht, daß Liebe etwas für Schwächlinge ist und sind Frauen dumm....., wie sehr habe ich darunter gelitten. Neli hat uns Deine Erklärung von "Mann" und "Weib" in Ihrer Erinnerung an Dir verdeutlicht.
Warum konntest Du so gut Deine negativen Gefühle ausdrücken, aber das positive war tabu? Wie oft habe ich mich das gefragt, denn von Dir bekam ich darauf keine Antwort. Ich hätte Dich so gerne besser verstanden, aber Du konntest nicht über Deine Gefühle sprechen.
Du warst so darauf bedacht, Anders zu sein, das Du Dich dabei aus den Augen verloren hast, glaube ich. Ich habe lange selbst damit gekämpft, und wer weiß, wer von meinen Geschwistern noch. Wieviel "schwarze" Schafe haben wir in der Familie? Papa, Du warst stolz darauf, das "schwarze" Schaf der Familie zu sein, Aber was ist mit den anderen "schwarzen" Schafen in der Familie, wie haben sie das gesehen? Thom, hattest Du nicht auch dieses Gefühl vor nicht all zu langer Zeit, was ist mit Dir, Peter jr, fühltest Du Dich nicht auch ausgestoßen? Und Jürgen, was ist mit Dir? Ich fühlte mich immer als das "schwarze" Schaf der Familie, aber irgendwie hat es mir auch gut gefallen.... Deine Vermächtnis, Papa!
Du fehlst mir, Papa, obwohl ich Jahre lang nicht mit Dir gesprochen habe, dann in den letzten 2 Jahren, bevor ich in die USA gezogen bin, Dich sehr häufig besucht habe, weil Du mir wichtig warst, und in den letzten Jahren einen guten, aber nicht sehr häufigen Kontakt mit Dir hatte. Du fehlst mir, Papa, ich liebe Dich. Gib mir ein Zeichen.

Seitenaufrufe: 84

Kommentar von Claudia Lämmermann am 26. Februar 2009 um 10:13am
Danke, Karin, für Deinen sehr ehrlichen Beitrag, wo Du uns auch eine Menge über Dich selbst enthüllst. So lerne ich Dich immer besser kennen und auch mich selbst, weil ich meine eigene Einstellung zu Deinem Vater beim Lesen anderer Kommentare hinterfrage. Menschliche Charaktere sind äußerst kompliziert, und bin mit meinem, der von so vielen Einflüssen geformt wurde, noch nicht am Ende!
Jedenfalls bin ich froh, über dieses Forum hier so viel Trauerarbeit leisten zu können, Trauer, die ich nie wahrgenommen habe, z. B. darüber, daß mich meine leibliche Mutter gleich am Anfang meines Lebens allein gelassen hat, Trauer über den frühen Tod von Hans-Jörg, über den Tod von meinem Vater, mit dem ich nie über das sprechen konnte, was mich wirklich im Innersten bewegt hat. Ebenso die Trauer über den frühen Tod meines ersten Ehemannes Karl, und alles was damit zusammenhängt, habe ich nie durchlebt.
Auch ich hoffe, daß ALLE Deine Geschwister HIER mal Bilanz ziehen. Alle Kinder von Peter haben mein Leben in mehr oder weniger starker Weise berührt!
Kommentar von Karin am 27. Februar 2009 um 11:21pm
Danke, Neli, für Deine lieben Worte. Ich habe es immer ein wenig beängstigend gefunden, in meiner Familie meine wahren Gefühle zu zeigen, zu oft wurden sie missverstanden. Ich habe in meinem Leben noch nicht viel Trauerarbeit leisten müssen, aber den Tod von Hans-Jörg hat mich glaube ich sehr geprägt, obwohl ich mich kaum erinnern kann. Ich habe eben nur sehr wenige Erinnerungen an meine Kindheit, aber ich weiß aus Briefen und andere Bruchstücke, dass kaum jemand in der Zeit verstanden hat, das ich ein Idol (einen großen Bruder) verloren habe, damals, vor langer Zeit. Bis heute, bin ich fest davon überzeugt, das Hans-Jörg mein Schutzengel ist und es ist egal, ob es wirklich so ist, oder nur Wunschdenken. Übrigens ist auch Peggy einer meiner Schutzengel, egal wie verrückt das klingt. Ich habe einen ziemlich guten Draht zu meinen Engel.
Wie auch immer, der Verlust meines Vaters ist schwerer zu erfassen, da ich ja nicht an seinem Sterbebett sein konnte und auch nicht an der Trauerfeier teilnehmen konnte. So muss ich mir immer wieder klar machen, dass ich ihn in diesem Leben nie mehr sehen werde.
Weißt Du, Neli, Trauer war zu nehmen ist wirklich ein wichtig in unserem Leben und vielleicht hilft es Dir, eine Brief an Deine Mutter, die Du ja nie bewußt kennengelernt hast, zu schreiben und Deine Gefühle los zu lassen. Ich bin nicht gut in loslassen, aber auch nicht in festhalten.
Genau wie Du, konnte ich nicht wirklich mit meinem Vater über meine wirklichen Gefühle reden, und wenn ich es tat, hat er es abgetan als Einbildung. Aber daher bin ich mir auch um so bewußter, wie wichtig es ist, ehrlich seinen Gefühlen gegenüber zu sein, denn sie prägen uns am meisten.
Auch ich hoffe, dass alle meine Geschwister hier über ihre Gefühle und Gedanken in Bezug auf unseren Vater, bzw. Deines Bruders, schreiben können, so dass wir nicht nur gemeinsam trauern können, sondern uns auch besser verstehen können. Das wäre schön.
Kommentar von Claudia Lämmermann am 28. Februar 2009 um 11:07am
Ja, Karin, ich weiß nicht, ob es wirklich von den anderen Teilnehmern dieses Forums verstanden wird, wenn wir hier unseren Gedanken und Gefühlen so freien Lauf lassen. Aber ich weiß, daß es mir gut tut, wenn ich mir auf diese Weise Ausdruck verschaffe und mein Innenleben ordne. Kein Mensch kann sich vollkommen in andere einfühlen, aber das ist vielleicht auch nicht so wichtig. Ich möchte nur als die Person, mit dem Entwicklungsstand, den ich gerade habe, angenommen sein! Natürlich bin ich auch darauf bedacht, andere Menschen in ihrem SOSEIN zu akzeptieren, was nicht immer leicht ist bei dem Erbe, das ich mit mir herumschleppe. Aber ich arbeite an mir.

Kommentar

Sie müssen Mitglied von Georg-Peter Nikolaus Schilling sein, um Kommentare hinzuzufügen!

Mitglied werden Georg-Peter Nikolaus Schilling

© 2025   Erstellt von Jürgen Schilling.   Powered by

Ein Problem melden  |  Nutzungsbedingungen